Großrazzia trifft Oppositionspolitiker und Geschäftsleute
Die türkische Polizei hat Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu im Rahmen einer landesweiten Razzia festgenommen. Neben ihm wurden 100 weitere Personen, darunter Politiker, Unternehmer und Verwaltungsbeamte, inhaftiert. Die Regierung wirft ihnen Korruption und Verbindungen zu terroristischen Organisationen vor.
Kurz vor seiner Festnahme veröffentlichte İmamoğlu ein Video, in dem er sich direkt an die Öffentlichkeit wandte. „Dieser Angriff trifft den Willen des Volkes“, sagte er. Er betonte seine Entschlossenheit, sich für die 16 Millionen Bürger Istanbuls und die 86 Millionen Menschen in der Türkei einzusetzen.
Schwere Vorwürfe gegen İmamoğlu
Die Staatsanwaltschaft von Istanbul wirft İmamoğlu vor, eine kriminelle Organisation zu leiten und sich der Bestechung, Erpressung und des Betrugs schuldig gemacht zu haben. Zusätzlich soll er mit sechs weiteren Beamten mit der Kurdistan Workers’ Party (PKK) zusammengearbeitet haben. Laut Ermittlern unterstützte er linke politische Gruppen vor den Kommunalwahlen, was indirekt der PKK zugutekam.
Seine Festnahme erfolgte nur wenige Tage vor seiner erwarteten Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP). Die nächste Präsidentschaftswahl ist für 2028 angesetzt, doch viele Experten erwarten vorgezogene Neuwahlen. Bereits 2022 erhielt İmamoğlu eine politische Sperre, nachdem er angeblich Wahlbeamte beleidigt hatte. Er hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Proteste und Internetzensur nach der Festnahme
Nach der Festnahme verhängte die Regierung ein viertägiges Demonstrationsverbot in Istanbul. Sicherheitskräfte sperrten Straßen und schlossen U-Bahn-Stationen, um Proteste zu unterdrücken. Trotz der Einschränkungen marschierten Studenten der Universität Istanbul durch die Straßen und gerieten mit Polizeikräften aneinander. Gewerkschaften riefen zu landesweiten Protesten auf, insbesondere in der Nähe der Polizeiwache, in der İmamoğlu festgehalten wird.
Gleichzeitig schränkte die Regierung den Internetzugang stark ein. Die Organisation Netblocks meldete Einschränkungen auf Plattformen wie X, YouTube, Instagram und TikTok.
CHP-Chef Özgür Özel bezeichnete die Verhaftung als „Angriff auf die Demokratie“ und warf der Regierung vor, gezielt politische Gegner auszuschalten. Nur wenige Stunden vor İmamoğlus Festnahme hatte die Universität Istanbul seinen Hochschulabschluss annulliert, wodurch er rechtlich von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen werden könnte. Er kritisierte diesen Schritt als „haltlos und politisch motiviert“.
Die Ereignisse verschärfen die politische Krise in der Türkei und werfen erneut Fragen über Erdoğans Umgang mit der Opposition und den Zustand der Demokratie im Land auf.