Schwere Vorwürfe gegen Ubisoft-Führungskräfte
Drei ehemalige Top-Manager des französischen Videospielkonzerns Ubisoft standen diese Woche im französischen Bobigny vor Gericht. Die Anklage wirft ihnen psychische Gewalt, sexuelle Belästigung und versuchte sexuelle Übergriffe vor. Der Staatsanwalt forderte für alle drei Bewährungsstrafen von bis zu drei Jahren sowie Geldstrafen. Das Urteil wird am 2. Juli erwartet.
Konkrete Forderungen der Staatsanwaltschaft
- Serge Hascoët, ehemaliger Vizechef: 18 Monate auf Bewährung und 45.000 € Geldstrafe
- Guillaume Patrux, Spieldesigner: 1 Jahr auf Bewährung und 10.000 € Geldstrafe
- Thomas François, früherer Vizepräsident des Redaktionsbereichs: 3 Jahre auf Bewährung und 30.000 € Geldstrafe
Der Prozess gilt als Meilenstein der #MeToo-Bewegung in der männerdominierten Gaming-Branche. Hintergrund ist eine umfassende Recherche von Libération und Numerama aus dem Jahr 2020, die systematische Belästigung, sexistische Übergriffe und eine toxische Unternehmenskultur bei Ubisoft offenlegte.
„Ich erinnere mich nicht“: Verteidigung auf dünnem Eis
Während der Verhandlung bestritten alle Angeklagten die Vorwürfe oder beriefen sich auf Erinnerungslücken – Aussagen, die die Nebenklägeranwälte scharf kritisierten. Für sie steht fest: Der Prozess zeige exemplarisch die „virile und kindische“ Unternehmenskultur eines Betriebs, der „von Männern für Männer“ geschaffen wurde.
Ein Beispiel: Als Thomas François zu einem mutmaßlichen sexuellen Übergriff befragt wurde, den eine frühere Kollegin am Vortag geschildert hatte, antwortete er lediglich: „Ich erinnere mich nicht.“
Keine Anklage gegen Ubisoft als Unternehmen
Scharfe Kritik gab es auch daran, dass Ubisoft selbst sowie Geschäftsführer Yves Guillemot und Personalchefin Marie Derain nicht juristisch belangt wurden. Gewerkschafter Marc Rutschlé von Solidaires Informatique beklagte: „Es war kein Einzelfall. Die Atmosphäre systematischer Belästigung wurde durch strukturelle Untätigkeit ermöglicht. Es fehlen Angeklagte, es gibt viele Opfer.“
Kritik an verpasster Chance zur Aufarbeitung
Rutschlé erklärte weiter: „Dieser Prozess hätte beispielhaft sein können.“ Doch statt einer umfassenden Aufarbeitung blieben die strukturellen Probleme unangetastet. Ubisoft-Chef Guillemot hatte in der Vergangenheit Vorwürfe verharmlost – er sprach von „generationsbedingten Meinungsverschiedenheiten“ und „kreativen Reibungen“.
Branche unter Beobachtung
Die Verhandlung wird als Bewährungsprobe für die französische Justiz gesehen – und als Signal für den Umgang mit Machtmissbrauch in der Videospielbranche. Das Urteil im Juli könnte zum Präzedenzfall werden, was juristische Verantwortung von Führungspersonal bei systemischer Belästigung betrifft.