Ein Präsident formt sich sein Vermächtnis
Donald Trump will, dass die Welt fest an die vollständige Zerstörung von Irans Atomprogramm glaubt – aus klaren politischen Gründen. Erstens basiert sein gesamtes Selbstbild auf Stärke, Kontrolle und Unbesiegbarkeit. Er inszeniert sich als einzigartiger Anführer, dessen Entscheidungen nie versagen. Widersprüche zu dieser Darstellung gelten nicht als Kritik, sondern als Bedrohung.
Zweitens würde jede Nachricht, dass Iran noch über technologische Mittel zur Waffenentwicklung verfügt oder das Programm wiederbeleben könnte, zu einem strategischen Dilemma führen. Die zentrale Frage wäre dann, ob die USA erneut militärisch eingreifen sollten. Ein solcher Schritt birgt erhebliche Risiken – politisch, militärisch und diplomatisch. Trump möchte weder einen langwierigen Konflikt führen noch seine Wählerschaft verunsichern.
Deshalb bekämpft seine Regierung aktiv alle Berichte, die seine Darstellung infrage stellen. Eine erste Einschätzung des US-Verteidigungsnachrichtendienstes, laut der die Luftangriffe Irans Nuklearstruktur nur vorübergehend geschwächt haben, wurde öffentlich angezweifelt und abgewertet.
Erfolgserzählung trotz widersprüchlicher Indizien
Bei einer Pressekonferenz auf dem NATO-Gipfel erklärte Trump, der Angriff sei „sehr, sehr erfolgreich“ gewesen. Er sprach von „Vernichtung“ und stellte Amerikas Militär über alle anderen. Verteidigungsminister Pete Hegseth griff daraufhin Medien an, die Zweifel an der Effektivität der Operation äußerten. Er beschuldigte sie, politisch motiviert gegen Trump zu arbeiten.
Das Weiße Haus berief sich auf die Einschätzung des israelischen Generalstabschefs, der von „systemischen Schäden“ an Irans Programm sprach. CIA-Direktor John Ratcliffe erklärte, die CIA habe Beweise für erhebliche Zerstörung. Doch diese Aussagen reichen nicht aus, um Trumps umfassende Behauptung von einer totalen Auslöschung zu stützen.
Trumps Methode ist bekannt: Er erschafft eine öffentliche Realität, die sich nicht auf Beweise, sondern auf Wiederholung und Lautstärke stützt. Wie bei seinen unbegründeten Betrugsvorwürfen nach der Wahl 2020 geht es auch hier darum, eine Geschichte durchzusetzen – unabhängig davon, ob sie den Fakten standhält.
Kommunikationsversagen und strategische Schwäche
Geheimdienstliche Einschätzungen benötigen Zeit, oft Wochen oder Monate. Trotzdem erklärte Trump bereits während der laufenden Luftangriffe den Einsatz zur vollständigen Erfolgsgeschichte. Diese verfrühte Festlegung zwingt seine Regierung nun dazu, widersprüchliche Informationen aggressiv zu bekämpfen.
Das Weiße Haus wirkt zunehmend defensiv – und das schwächt seine Glaubwürdigkeit. Dabei gäbe es durchaus Aspekte des Einsatzes, die Trump für sich beanspruchen könnte: keine US-Verluste, eine logistisch anspruchsvolle Mission, diplomatischer Druck auf Iran und Israel zur Deeskalation. Doch die Überinszenierung überdeckt diese Teilerfolge.
Auch ein beachtlicher diplomatischer Erfolg wurde überschattet: Trump sicherte sich auf dem NATO-Gipfel die Zustimmung der Mitgliedstaaten zu einer Verteidigungsausgabe von fünf Prozent des BIP bis 2035. Diese Zusage ist historisch – doch sie ging im Streit um Iran unter.
Das Kommunikationsversagen begann mit der mangelnden Erklärung, weshalb Iran plötzlich als nukleare Bedrohung galt. Zudem wurden führende Demokraten nicht über den bevorstehenden Angriff informiert. Die kurzfristige Ansetzung von Briefings nach der Mission wirkte wie ein nachträglicher Versuch, Kontrolle zurückzugewinnen.
Ratcliffe betonte zwar, dass mehrere iranische Nuklearanlagen zerstört worden seien, doch auch seine Formulierungen blieben hinter Trumps Aussage von „Obliteration“ zurück. Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard erklärte lediglich, es lägen neue Erkenntnisse über „zerstörte Einrichtungen“ vor – ohne Belege zu liefern.
Ob Iran tatsächlich Uran verlagert hat oder über geheime Einrichtungen verfügt, ist ungeklärt. Beides könnte Trumps Darstellung erheblich untergraben.
Gefahr für Sicherheitsinstitutionen
Kritik an Trumps Erzählung wird von seiner Regierung sofort als unpatriotisch gewertet. Doch niemand zweifelt an der Leistung der Piloten – Medienberichte lobten die Mission. Die Debatte dreht sich allein um die Frage, ob die Ziele erreicht wurden.
Die Reaktion auf den Bericht des Pentagon legt nahe, dass der Druck auf die Nachrichtendienste steigt, politisch gewünschte Erkenntnisse zu liefern. Eine solche Entwicklung ist gefährlich. Sie untergräbt die Unabhängigkeit der Institutionen und kann fatale Folgen für nationale Entscheidungen haben.
Sollten spätere Berichte zeigen, dass Irans Programm fortbesteht – etwa durch versteckte Uranvorräte oder intakte Zentrifugen –, steht Trump vor einem Problem. Dann müsste er entweder erneut militärisch handeln oder seine eigene Glaubwürdigkeit gefährden.
Internationale Organisationen wie die IAEA schließen nicht aus, dass Iran vor den Angriffen Materialien verlagert hat. Das bringt Israel und die USA in Zugzwang – und könnte den Boden für einen neuen militärischen Konflikt bereiten.
Solch ein Szenario erinnert an die Nachwirkungen des Golfkriegs 1991, als die USA über Jahre hinweg Flugverbotszonen durchsetzen mussten. Ein ähnlicher Dauerzustand droht nun im Iran-Konflikt – mit unklaren politischen und militärischen Folgen für Trump.
Unsichere Aussichten für Verhandlungen
Trotz der Eskalation kündigte Trump neue Gespräche mit iranischen Unterhändlern an. Sein Sondergesandter Steve Witkoff sprach von einem möglichen Friedensabkommen, das über das Atomthema hinausgeht. Ein solcher Schritt könnte die jahrzehntelange Feindschaft zwischen beiden Ländern beenden – ein bedeutendes politisches Ziel.
Witkoff erklärte, er habe den Eindruck, dass Teheran verhandlungsbereit sei. Sollte Trump hier tatsächlich Fortschritte erzielen, könnte dies seine Präsidentschaft prägen.
Doch politische Kräfte innerhalb Irans – besonders die Revolutionsgarde – könnten ein Abkommen sabotieren, um ihre Macht und wirtschaftliche Stellung zu bewahren. Ein möglicher Regimewechsel würde viele Profiteure der aktuellen Ordnung bedrohen.
Einige Beobachter befürchten, dass Iran nach dem Angriff erst recht an einer Bombe arbeiten könnte – als Garantie für das Überleben des Regimes. Sollte Teheran die Zusammenarbeit mit der IAEA aufkündigen, wäre eine Überprüfung unmöglich.
Trump selbst dämpfte auf dem NATO-Gipfel die Erwartungen: „Vielleicht unterzeichnen wir etwas, vielleicht nicht. Es ist mir egal.“ Damit stellte er seine eigene Erzählung infrage – denn ein Verzicht Irans auf Atomwaffen würde seine These von der totalen Zerstörung überflüssig machen.
Die Wahrheit wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Doch schon jetzt deutet vieles darauf hin, dass Trumps strategisches Ziel weniger in der Realität, sondern vielmehr in der Kontrolle über ihre Darstellung liegt. Ein gefährliches Spiel – mit geopolitischen und innenpolitischen Folgen.