Präsident Yoon Suk-yeol hat am Dienstagabend überraschend das Kriegsrecht in Südkorea ausgerufen. Die Maßnahme erfolgt vor dem Hintergrund wachsender innenpolitischer Konflikte und anhaltender Spannungen mit Nordkorea. Während Yoon die Entscheidung als notwendigen Schutz der demokratischen Ordnung verteidigt, wächst die Kritik sowohl aus der Opposition als auch aus den eigenen Reihen.
Politische Krise als Hauptgrund
Die innenpolitische Situation in Südkorea hat sich in den letzten Wochen zugespitzt. Konflikte zwischen der regierenden People Power Party (PPP) und der oppositionellen Democratic Party (DP) blockieren die Arbeit der Regierung. Präsident Yoon warf der Opposition vor, staatsfeindliche Kräfte zu unterstützen und die Verfassungsordnung zu bedrohen. Er begründete das Kriegsrecht damit, dass es notwendig sei, “pro-nordkoreanische Kräfte” im Land zu entfernen und die Handlungsfähigkeit der Regierung wiederherzustellen.
Das Parlament, das von der DP kontrolliert wird, hat mehrere Initiativen der Regierung blockiert. Gleichzeitig wurden Ermittlungen gegen Yoons Umfeld wegen Korruptionsvorwürfen gefordert. Diese Eskalation führte zu einem politischen Stillstand, der die Regierung laut Yoon handlungsunfähig machte.
Eskalation zwischen Nord- und Südkorea
Auch die wachsenden Spannungen mit Nordkorea tragen zu Yoons Entscheidung bei. Die koreanische Halbinsel befindet sich seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formal im Kriegszustand. Ein Friedensvertrag wurde nie unterzeichnet. In den letzten Monaten verschärfte sich der Konflikt, da Nordkorea mehrere Raketen abfeuerte und Südkorea als feindlichen Staat deklarierte. Pjöngjang hatte zudem angekündigt, Tausende Soldaten zur Unterstützung Russlands in die Ukraine zu schicken, um Kampferfahrungen zu sammeln.
Südkorea wiederum nahm unter Yoons Führung die Militärübungen mit den USA wieder auf, die unter seinem Vorgänger Moon Jae-in pausiert hatten. Diese Entscheidung verärgerte Nordkorea, das die Manöver als Provokation wertet. Gegenseitige Vorwürfe und militärische Aktionen heizten die Lage weiter an.
Maßnahmen des Kriegsrechts
Die genauen Inhalte des Kriegsrechts wurden nicht vollständig veröffentlicht, aber erste Berichte sprechen von massiven Einschränkungen. Politische Aktivitäten, einschließlich parlamentarischer Sitzungen, sind verboten. Medien unterliegen strenger Kontrolle, und öffentliche Versammlungen sowie Streiks wurden untersagt. Das Militär hat das Parlamentsgebäude abgeriegelt, wodurch geplante Sitzungen blockiert werden. Medizinisches Personal wurde angewiesen, sich innerhalb von 48 Stunden verfügbar zu machen.
Reaktionen und Widerstand
Die Democratic Party bezeichnete das Kriegsrecht als verfassungswidrig und kündigte an, die Entscheidung anzufechten. Ihr Vorsitzender Lee Jae-Myung warnte, dass das Militär Abgeordnete verhaften könnte, da es unter Kriegsrecht die Kontrolle über staatliche Institutionen übernimmt. Überraschenderweise kam auch aus Yoons eigener Partei PPP Kritik. Parteivorsitzende erklärten, der Schritt sei falsch und solle rückgängig gemacht werden.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Die Ankündigung des Kriegsrechts löste sofortige Reaktionen auf den Finanzmärkten aus. Die südkoreanische Zentralbank versprach Maßnahmen zur Stabilisierung der Märkte. Vertreter des Finanzministeriums trafen sich in der Nacht auf Mittwoch mit führenden Wirtschaftsvertretern, um die Situation zu bewerten. Berichten zufolge bleibt die südkoreanische Börse trotz der politischen Turbulenzen geöffnet.
Fazit
Die Verhängung des Kriegsrechts zeigt die Tiefe der politischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen in Südkorea. Präsident Yoon argumentiert, dass die Maßnahme notwendig sei, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten. Doch die Entscheidung hat die politische Krise verschärft und die Kritik aus Opposition und Regierung verstärkt. Auch auf internationaler Ebene könnten die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel zunehmen, was die Stabilität in der Region weiter gefährdet. Die langfristigen Konsequenzen bleiben ungewiss.