Eine neue Methode zur genetischen Analyse von Hirntumoren könnte Patientenbehandlungen erheblich beschleunigen. Forschende aus Großbritannien haben eine Technologie entwickelt, die genetische Diagnosen innerhalb von Stunden statt Wochen ermöglicht. Damit könnten Therapien deutlich früher beginnen – möglicherweise noch während der Operation. Jährlich erhalten weltweit etwa 740.000 Menschen die Diagnose Hirntumor. Rund die Hälfte dieser Tumoren ist gutartig. Nach der Entdeckung entnehmen Ärzte während des Eingriffs Gewebeproben. Pathologen untersuchen die Zellen sofort mikroskopisch und können oft eine erste Einschätzung geben. Eine gesicherte Diagnose liefern jedoch erst genetische Tests, die bisher bis zu acht Wochen dauern können.
Ein Forscherteam um Prof. Matthew Loose von der Universität Nottingham nutzte nun sogenannte Nanoporen-Technologie, um diese Zeit drastisch zu verkürzen. Die Methode basiert auf winzigen Poren in einer Membran, durch die Strom fließt. Einzelsträngige DNA wird durch diese Poren gezogen. Dabei verändern verschiedene Bausteine der DNA – sowie deren Modifikationen – den Strom auf spezifische Weise. So lässt sich die genetische Sequenz präzise auslesen. Anschließend gleicht eine spezielle Software die ermittelten Sequenzen mit bekannten Tumorprofilen ab. Diese neue Technik ermöglicht laut Loose eine Diagnose binnen weniger Stunden nach der Entnahme – und in manchen Fällen bereits innerhalb einer Stunde. Damit könnten Chirurgen in Zukunft noch während des Eingriffs Entscheidungen über die weitere Vorgehensweise treffen.
In einer Studie testeten die Forschenden ihre Methode zunächst mit 30 bereits archivierten Proben und anschließend mit 50 frisch entnommenen Proben. Im ersten Versuch klassifizierte die Methode 24 von 30 Tumoren korrekt innerhalb von 24 Stunden. Bei den 50 aktuellen Proben gelang dies in 45 Fällen. In 38 Fällen erreichte man sogar innerhalb einer Stunde eine zuverlässige Einordnung – ein Ergebnis auf dem Niveau traditioneller genetischer Verfahren. Mit rund 400 Pfund pro Probe entspricht der finanzielle Aufwand dem bisheriger Tests, aber mit deutlich schnellerem Resultat. Diese Geschwindigkeit könnte laut Loose nicht nur den Behandlungsstart beschleunigen, sondern auch neue Therapiemöglichkeiten eröffnen: etwa das Verabreichen gezielter Medikamente direkt während der Operation, falls sich der Tumortyp schnell genug bestimmen lässt.
Darüber hinaus könnten Betroffene schneller an klinischen Studien teilnehmen, sofern sie dafür infrage kommen. Diese frühe Zuordnung steigert die Chancen auf eine passende innovative Therapie. Experten wie Dr. Matt Williams vom Imperial College London begrüßen den Fortschritt, betonen jedoch, dass intraoperative Therapien bisher kaum verfügbar seien. Doch wenn solche Behandlungen zukünftig möglich werden sollen, müsse man in der Lage sein, die Tumordiagnose schon während der Operation zu stellen. Nur so lasse sich das volle Potenzial dieser Technologie ausschöpfen.