Die FPÖ und ÖVP könnten bei einer möglichen Koalition schnell eine gemeinsame Linie finden, insbesondere in Justizfragen. Zahlreiche Punkte in ihren Wahlprogrammen überschneiden sich – von der Herabsetzung der Strafmündigkeit bis zu schärferen Strafen für Klimakleber. Gleichzeitig gibt es auch potenzielle Streitpunkte, wie etwa bei der Überwachung von Messenger-Diensten.
Strafmündigkeit und Strafen für Klimakleber
Beide Parteien befürworten die Senkung der Strafmündigkeit von derzeit 14 auf 12 Jahre. Die FPÖ sieht dies als Maßnahme gegen „kriminelle Jugendbanden“, während die ÖVP dies in ihrem „Österreichplan“ explizit fordert. Allerdings haben sich zahlreiche Fachleute und Justizvertreter dagegen ausgesprochen. Organisationen wie der Dachverband Österreichischer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen und der Rechtsanwaltskammertag argumentieren, dass präventive Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe wirksamer wären.
In der Frage um Strafen für Klimakleber sind sich FPÖ und ÖVP ebenfalls einig. Beide Parteien fordern härtere Sanktionen gegen Aktivisten, die durch Straßenblockaden Aufmerksamkeit auf die Klimakrise lenken. Auch bei anderen Themen wie der Ablehnung der Cannabis-Legalisierung und schärferen Strafen für Schlepper verfolgen beide Parteien eine ähnliche Linie. Ein weiteres Vorhaben ist der „Strafvollzug in Drittstaaten“, bei dem Straftäter ihre Haftstrafen in ihrer Heimat verbüßen sollen.
Diskussionen um den politischen Islam und die Justizreform
Ein weiteres zentrales Thema ist das geplante „Verbotsgesetz gegen den politischen Islam“. Die FPÖ und ÖVP sind hier auf einer Linie, doch das Vorhaben ist umstritten. Experten wie Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer warnen davor, dass ein solches Gesetz das bestehende Verbotsgesetz gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung „entwerten“ könnte. Es gäbe bereits ausreichend Gesetze, um religiös motivierten Extremismus zu bekämpfen, etwa den Verhetzungsparagrafen oder das Verbot der Verherrlichung von Terror.
Bei der Einführung einer Bundesstaatsanwaltschaft, die eine unabhängige Weisungsspitze für Strafverfahren schaffen würde, stehen die Zeichen jedoch auf Uneinigkeit. Während viele Institutionen wie Transparency International und die Staatsanwälte-Vereinigung für eine solche Reform plädieren, lehnt die FPÖ dieses Modell ab. Die ÖVP hatte sich in der Vergangenheit ebenfalls gegen eine Bundesstaatsanwaltschaft ausgesprochen, bleibt in aktuellen Verhandlungen jedoch zurückhaltender.
Zukünftige Konflikte und Kompromisspotenzial
Ein potenzieller Konfliktpunkt ist die Überwachung von verschlüsselten Messenger-Diensten. Während beide Parteien in ihrer früheren Koalition den sogenannten Bundestrojaner beschlossen hatten, ist FPÖ-Chef Herbert Kickl mittlerweile gegen eine solche Maßnahme. Dies könnte zu einem Hindernis in den Koalitionsverhandlungen werden, wenn beide Seiten ihre Positionen beibehalten.
Abseits der Streitpunkte dürfte es jedoch viele Gemeinsamkeiten geben. Themen wie finanzielle Transparenz bei NGOs, die Offenlegung von Spenden über 5000 Euro oder Maßnahmen gegen „Scheinvaterschaften“ stoßen bei beiden Parteien auf Zustimmung. Diese Punkte könnten die Basis für eine schnelle Einigung im Justizbereich bilden.
Eine mögliche Koalition von FPÖ und ÖVP verspricht also eine Mischung aus kontroversen Reformplänen, potenziellen Konflikten und pragmatischen Kompromissen – insbesondere bei den heiklen Themen rund um die Justiz.