Forschende der Universität Cambridge haben ein KI-gestütztes Diagnosewerkzeug entwickelt, das Zöliakie ebenso zuverlässig erkennt wie ein menschlicher Pathologe – aber deutlich schneller. Während eine klassische Analyse durch Fachpersonal etwa fünf bis zehn Minuten pro Biopsie dauert, liefert der Algorithmus ein Ergebnis in weniger als einer Minute. Diese Entwicklung könnte lange Wartezeiten verkürzen und das überlastete Gesundheitssystem, insbesondere den NHS, spürbar entlasten.
Zöliakie ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die durch Gluten ausgelöst wird – ein Eiweiß, das in Weizen, Gerste und Roggen vorkommt. Etwa 700.000 Menschen in Großbritannien sind betroffen. Zu den Symptomen zählen Bauchschmerzen, Durchfall, Hautausschläge, Gewichtsverlust, Müdigkeit und Blutarmut. Unbehandelt kann Zöliakie zu schweren Komplikationen führen, darunter Mangelernährung, Osteoporose, Unfruchtbarkeit und ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebserkrankungen.
Schnellere Ergebnisse ohne Genauigkeitsverlust
Die herkömmliche Diagnostik umfasst zunächst einen Bluttest, gefolgt von einer Biopsie des Zwölffingerdarms. Dabei untersuchen Pathologen die sogenannten Zotten – winzige Ausstülpungen der Dünndarmschleimhaut, die für die Nährstoffaufnahme zuständig sind. Solche Proben werden jedoch häufig verzögert ausgewertet, da dringlichere Fälle wie etwa Krebs Vorrang haben.
Das neue KI-Tool verändert diesen Ablauf grundlegend. Trainiert wurde es mit über 4.000 Biopsiebildern aus fünf verschiedenen Krankenhäusern, aufgenommen mit Scannern von vier unterschiedlichen Herstellern. Die in The New England Journal of Medicine AI veröffentlichte Studie zeigt: Die KI erzielt eine vergleichbare Diagnosegenauigkeit wie erfahrene Pathologen – und das in einem Bruchteil der Zeit. Laut Mitautor Dr. Florian Jaeckle könnten Patient:innen künftig nahezu sofort ein Ergebnis erhalten, direkt nach dem Einscannen der Probe.
Expert:innen sehen Potenzial – fordern aber Infrastruktur
Professorin Elizabeth Soilleux, leitende Autorin der Studie und Hämatopathologin, betont, dass die neue Technologie nicht nur die Diagnostik beschleunigen, sondern auch Wartezeiten im NHS verringern könnte. „Viele Menschen warten jahrelang auf eine Diagnose“, sagt sie. „Künstliche Intelligenz kann diesen Prozess deutlich beschleunigen und gleichzeitig Fachkräfte entlasten.“
Auch Dr. Bernie Croal, Präsident des Royal College of Pathologists, sieht großes Potenzial. Er warnt jedoch davor, die Einführung zu überstürzen. Für eine sichere und breite Anwendung müsse in digitale Infrastruktur investiert werden. Dazu gehören vernetzte IT-Systeme, die einen effizienten Datenaustausch zwischen Einrichtungen ermöglichen, sowie Schulungen für medizinisches Fachpersonal im Umgang mit KI-Technologien.
Gefördert wurde das Projekt von Coeliac UK, Innovate UK, dem Cambridge Centre for Data-Driven Discovery sowie dem National Institute for Health and Care Research. Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie moderne Technologien wie KI die medizinische Versorgung verbessern und Patient:innen schneller zu einer verlässlichen Diagnose verhelfen können.