Regierung verteidigt Abschiebung trotz Vorwürfen der Missachtung internationaler Verpflichtungen
Italien hat den libyschen Warlord Ossama al-Masri, der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht wird, abgeschoben, anstatt ihn dem Gericht auszuliefern. Die Entscheidung hat heftige Kritik von Menschenrechtsorganisationen und Abgeordneten ausgelöst, die der Regierung vorwerfen, internationale Verpflichtungen zu ignorieren.
Innenminister Matteo Piantedosi verteidigte die Abschiebung am Donnerstag während einer Sitzung im Senat. Er erklärte, dass al-Masri aus „dringenden Sicherheitsgründen“ abgeschoben wurde. Piantedosi nannte keine weiteren Details und kündigte an, das Thema nächste Woche vor den Abgeordneten ausführlicher zu erläutern.
Ossama al-Masri, auch bekannt als Ossama Anjiem, wird vom IStGH beschuldigt, zwischen 2015 und 2017 in Libyens berüchtigtem Mitiga-Gefängnis schwere Verbrechen begangen zu haben. Zu den Vorwürfen zählen Folter, Vergewaltigung und Mord – Straftaten, die mit lebenslanger Haft geahndet werden können.
Al-Masri war am Wochenende in Turin festgenommen worden, nachdem er ein Fußballspiel besucht hatte. Doch das Berufungsgericht in Rom ordnete am Dienstag seine Freilassung an, da es Verfahrensfehler bei seiner Festnahme gab. Direkt nach seiner Freilassung wurde al-Masri auf einem italienischen Regierungsflugzeug nach Tripolis abgeschoben, wo er mit einem Heldenempfang begrüßt wurde.
Italien unter Druck wegen fehlender Kooperation mit dem IStGH
Der Internationale Strafgerichtshof hatte Italien darüber informiert, dass sich al-Masri in Europa aufhielt, und forderte, dass die Behörden des Landes den IStGH „ohne Verzögerung“ kontaktieren sollten, falls es Probleme bei der Zusammenarbeit mit dem Haftbefehl gäbe. Trotz dieser Aufforderung schickte Italien al-Masri zurück nach Libyen, was Fragen über seine Verpflichtung zur internationalen Strafjustiz aufwarf.
Das Berufungsgericht in Rom begründete die Abschiebung mit einem Verfahrensfehler. Es bemängelte, dass Justizminister Carlo Nordio nicht rechtzeitig über die Festnahme informiert wurde. Das Justizministerium ist jedoch die zuständige Behörde für die Zusammenarbeit mit dem IStGH, was die Lage weiter verkomplizierte.
Oppositionspolitiker fordern von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine Erklärung und verlangen, dass sie die Angelegenheit in einer parlamentarischen Sitzung offen diskutiert. Kritiker argumentieren, dass Italiens Vorgehen die weltweiten Bemühungen, Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen, untergräbt und einen gefährlichen Präzedenzfall schafft.
Menschenrechtsorganisationen prangern Italiens Vorgehen an
Italiens Entscheidung, al-Masri nach Libyen abzuschieben, hat scharfe Kritik von Menschenrechtsorganisationen ausgelöst. Sie weisen darauf hin, dass Libyens Gefängnisse für systematische Menschenrechtsverletzungen berüchtigt sind. Berichte über Folter, sexuelle Gewalt und andere schwerwiegende Übergriffe in libyschen Haftanstalten sind zahlreich dokumentiert.
Al-Masri wird beschuldigt, eine zentrale Rolle bei diesen Misshandlungen gespielt zu haben, insbesondere im Mitiga-Gefängnis, wo er angeblich für die Folter von Gefangenen, darunter Migranten, verantwortlich war. Kritiker argumentieren, dass Italien durch die Abschiebung al-Masris nicht nur dessen Verantwortung für seine Taten negiert, sondern auch das Leid der Opfer ignoriert.
Die Abschiebung hat international Besorgnis ausgelöst. Menschenrechtsexperten warnen, dass dieser Schritt ein negatives Signal für die Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen aussendet. Italiens Vorgehen wird als Verfehlung betrachtet, internationale Gerechtigkeit zu unterstützen und Menschenrechte zu verteidigen.