Der chinesische Automobilhersteller Chery Auto zieht ernsthaft in Betracht, eine Produktionsstätte im Vereinigten Königreich zu errichten. Damit reagiert das Unternehmen auf wachsende Handelsbarrieren in den USA und der EU und verfolgt gleichzeitig eine klare Lokalisierungsstrategie, um sich dauerhaft auf dem britischen Markt zu etablieren.
Chery will Präsenz in Großbritannien ausbauen
Victor Zhang, der UK-Direktor von Chery, erklärte auf der Jahreskonferenz der Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) in London, das Unternehmen prüfe aktiv den Bau eines zweiten europäischen Werks in Großbritannien – zusätzlich zur bestehenden europäischen Expansion, die bereits Standorte in Spanien umfasst.
„Wenn wir als Marke hier wirklich vertreten sein wollen, gehört [die Produktion] einfach dazu“, so Zhang. „Wir sprechen mit den relevanten Parteien. Alles liegt auf dem Tisch.“
Chery hat erst im September mit den Marken Omoda und Jaecoo 75 Showrooms im Vereinigten Königreich eröffnet und bereits rund 2 % Marktanteil im britischen EV-Segment erobert. Zhang verwies auf das große Interesse der britischen Autofahrer, insbesondere an einem neuen Hybridmodell mit einer elektrischen Reichweite von 90 Meilen. Laut Zhang ziehen 40 % der britischen Kundschaft chinesische Marken in Betracht – ein vielversprechender Indikator für weiteres Wachstum.
Reaktion auf Zölle und Handelsverschiebungen
Hintergrund der Überlegungen ist auch das veränderte internationale Handelsumfeld. Donald Trumps Handelszölle auf chinesische Produkte – insbesondere in der Automobil- und Stahlindustrie – haben viele chinesische Firmen dazu veranlasst, in Europa und dem Vereinigten Königreich Produktionsstandorte aufzubauen.
Andere chinesische Unternehmen wie Geely (Beteiligung an Lotus in Großbritannien) oder der Batteriehersteller EVE Energy (geplantes Werk bei Coventry für über 1 Mrd. £) verfolgen ähnliche Strategien. In der EU baut BYD ein Werk in Ungarn, während Omoda eine Joint-Venture-Fabrik mit Ebro bei Barcelona angekündigt hat.
Die veränderten US-Zölle machen Großbritannien zudem attraktiver: Ab Montag reduziert sich der Einfuhrzoll auf britische Autos von 27,5 % auf 10 %, wodurch das Vereinigte Königreich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der EU erhält, die weiterhin mit einem 25 %-Zollsatz konfrontiert ist. Dennoch bleiben andere Handelshemmnisse wie 10 % Zoll auf allgemeine Einfuhren oder 25 % auf Stahlprodukte bestehen. Der britische Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds bemüht sich derzeit um deren Abschaffung.
Britisch-chinesischer Wirtschaftsdialog im Aufwind
Auch auf diplomatischer Ebene scheint Bewegung zu kommen. Sherard Cowper-Coles, Vorsitzender des China-Britain Business Council, bestätigte, dass britische Regierungsvertreter ihre Kontakte nach China verstärken. Der nationale Sicherheitsberater Jonathan Powell werde im kommenden Monat nach China reisen, um einen Besuch des Premierministers vorzubereiten. Zudem plane Minister Reynolds im September die Teilnahme an der gemeinsamen Wirtschafts- und Handelskommission.
Chinesische Investoren seien aufgrund der US-Politik zunehmend auf der Suche nach alternativen Standorten in Europa – und Großbritannien könnte dabei profitieren. Eine Entscheidung von Chery über den Fabrikstandort im UK wäre ein klares Signal für den wachsenden Einfluss chinesischer Automarken auf dem europäischen Markt.