Mit dem weltweiten Boom von Elektroautos – im Jahr 2024 machten sie bereits 22 % aller Neuwagenverkäufe aus – berichten immer mehr Menschen von Übelkeit und Unwohlsein beim Mitfahren in E-Autos. Besonders in den sozialen Medien häufen sich Berichte über Reiseübelkeit, vor allem bei Fahrten auf dem Beifahrer- oder Rücksitz. Auch wissenschaftliche Studien bestätigen dieses Phänomen – und liefern Erklärungen.
Warum der Körper in E-Autos anders reagiert
Laut William Emond, Doktorand an der Université de Technologie de Belfort-Montbéliard, liegt der Hauptgrund in der fehlenden Gewöhnung an die Bewegungsdynamik von Elektrofahrzeugen. Unsere Gehirne haben jahrzehntelange Erfahrung mit Verbrennungsmotoren – inklusive Geräuschen und Vibrationen –, die helfen, Bewegungen vorherzusehen. In Elektroautos fehlen diese Reize weitgehend. Das Gehirn kann daher Bewegungen nicht präzise einschätzen, was zu einem sensorischen Konflikt führt.
Zudem spielt die Regelmäßigkeit und Sanftheit der Bewegungen eine Rolle: EVs bremsen oft durch sogenannte regenerative Bremssysteme, die sanft und stetig verzögern. Studien zeigen, dass genau diese langsame, niederfrequente Verzögerung stärker zu Übelkeit führen kann als abrupte Bremsmanöver bei Benzin- oder Dieselautos.
Geräuschlos und gleichmäßig – und damit verwirrend
Untersuchungen aus den Jahren 2020 und 2024 weisen auf zwei zentrale Auslöser hin:
- Fehlende Motorgeräusche: In herkömmlichen Fahrzeugen kündigen Drehzahl und Klang eine bevorstehende Beschleunigung an. In EVs bleibt diese akustische Warnung aus.
- Vibrationen: Die Bewegungen im Innenraum von E-Autos unterscheiden sich deutlich. Eine Studie von 2024 fand einen starken Zusammenhang zwischen den spezifischen Vibrationen und der Intensität der Übelkeit.
Reisekrankheit entsteht durch widersprüchliche Signale: Die Augen, das Gleichgewichtsorgan im Ohr und die Körperwahrnehmung senden unterschiedliche Informationen an das Gehirn. Wenn diese nicht übereinstimmen, entsteht ein sogenannter “neuronaler Konflikt”, der Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen verursachen kann.
Fahrer sind davon in der Regel nicht betroffen – sie wissen genau, was als Nächstes passiert. Beifahrer oder Rücksitzpassagiere hingegen sind auf äußere Reize angewiesen. Und genau hier fehlen E-Autos die gewohnten Signale.
Was man gegen die Übelkeit tun kann
Da die Anzahl an E-Autos weiter steigt, suchen Forscher bereits nach Lösungen. Vor allem für den Einsatz in autonomen Fahrzeugen könnte das entscheidend sein. Erste Vorschläge umfassen:
- Visuelle Signale, etwa Bildschirme, die Fahrbewegungen vorwegnehmen.
- Lichtsysteme, die den Bewegungsrhythmus untermalen.
- Gezielte Vibrationen, die Bewegungen simulieren, um die Wahrnehmung zu unterstützen.
Letztlich gilt: Je besser das Gehirn die Bewegung vorhersehen kann, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für Übelkeit – auch im geräuschlosen E-Auto.