„Light Viewer“-Trend bremst Netflix & Co. bei werbefinanzierten Angeboten
Britische Fernsehsender wie ITV und Channel 4 sehen sich im hart umkämpften Markt für Streaming-Werbung im Vorteil gegenüber den großen US-Playern. Netflix, Amazon und Disney+ haben in den letzten Jahren Werbetarife eingeführt, um neue Einnahmequellen zu erschließen – doch neue Daten zeigen: Zuschauer mit Werbung schauen deutlich weniger Inhalte.
Laut einer Analyse sehen britische Haushalte mit dem werbefinanzierten Netflix-Abo täglich 22 Minuten weniger als Kunden mit werbefreier Version – ein Rückgang von rund 22 %. Bei Amazon Prime Video fällt das Minus mit 44 % (23 Minuten) sogar noch stärker aus. Disney+ verzeichnete den geringsten Unterschied mit nur fünf Minuten täglich.
Der sogenannte „Light Viewer“-Effekt könnte das Geschäftsmodell der US-Giganten empfindlich treffen – denn weniger Sehzeit heißt auch weniger potenzielle Werbeeinblendungen.
Teure Werbetarife, geringe Reichweite: Skepsis bei Werbekunden
Trotz ambitionierter Pläne stieß Netflix’ Einstieg in den britischen Werbemarkt auf Zurückhaltung. Die Plattform verlangte anfangs fast 50 % mehr als ITV oder Channel 4, forderte hohe Mindestumsätze und bot nur begrenzte Zielgruppensegmentierung. „Der Rollout war ein Desaster“, urteilte der CEO einer britischen Mediaagentur. Netflix habe seither Marktanteile eingebüßt, während Amazon und Disney+ beim Werbedruck aufholten – wenn auch mit unterschiedlicher Preisstrategie.
BBC & Co. wittern Chance – doch Zeitfenster ist eng
Trotz ihrer überlegenen Werbeerfahrung und etablierten Streamingplattformen geraten britische Sender unter Druck: Das neue Streaming-Duo VodafoneThree will Standorte schließen, und die Werbeeinnahmen im klassischen TV sinken (aktuell £3,58 Mrd.). Doch das verhaltene Wachstum der US-Werbemodelle gibt Hoffnung: Noch greifen viele Werbekunden lieber zu ITVX oder Channel 4 als zu einem vergleichsweise teuren und weniger ausgereiften Netflix-Werbeplatz.
Die Marktdynamik könnte sich jedoch bald ändern. Netflix-Manager Greg Peters kündigte für 2025 einen deutlichen Ausbau der Werbeplattform an – inklusive eigener Adtech-Infrastruktur, die bereits in den USA gestartet ist. Ein Werbeumsatz-Doppelschub wird erwartet.
Fazit: UK-Broadcaster gewinnen Zeit – aber keine Sicherheit
Laut Ampere-Analyst Richard Broughton sei Werbung letztlich ein Massengeschäft, und die US-Anbieter würden gerade erst aufholen. Für BBC, ITV und Channel 4 bedeute das: Wettbewerbsvorteile jetzt nutzen, bevor der nächste Verdrängungszyklus beginnt. Denn trotz Schwächen dominieren Netflix & Co. weiterhin beim Publikum: Im Februar 2025 nutzten 65 % der britischen Internetnutzer Netflix, vor BBC iPlayer (59 %), Prime Video (48 %), ITVX (46 %) und Channel 4 (34 %).
Wie lange der Vorsprung der britischen Sender im Werbemarkt anhält, bleibt offen. Die Zeit zum Gegensteuern läuft.