Ein Ticket für ganz Europa? DB macht den ersten Schritt
Die Deutsche Bahn will ab Herbst 2025 mit einer neuen digitalen Infrastruktur den internationalen Bahnverkehr deutlich vereinfachen. Ziel ist es, grenzüberschreitende Zugreisen genauso einfach buchbar zu machen wie Inlandsfahrten. Der Startschuss fällt mit der Einführung des EU-gestützten OSDM-Standards (Open Sales and Distribution Model), der europäischen Bahnunternehmen direkten Zugriff auf die Buchungssysteme ihrer Partner ermöglicht.
„Man wird eine internationale Reise genauso einfach buchen können wie eine nationale“, erklärte Michael Peterson, Vorstand für Fernverkehr bei der Deutschen Bahn. Bis Ende 2026 will die Bahn auf ihrer Website und in der DB-Navigator-App integrierte Buchungsmöglichkeiten für nahezu alle großen europäischen Bahnunternehmen – inklusive Nahverkehr – anbieten.
Fahrgastrechte im Fokus der EU – doch die Umsetzung stockt
Derzeit bleibt das Fahrgasterlebnis im internationalen Bahnverkehr oft fragmentiert: getrennte Tickets, wenig Schutz bei Verspätungen, komplizierte Buchungsportale. Deshalb will die EU-Kommission in diesem Jahr neue Gesetze vorschlagen, die einheitliche Fahrgastrechte garantieren – inklusive Umbuchung und Rückerstattung bei grenzüberschreitenden Reisen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das Thema zur Priorität erklärt: „Bahnreisen über Grenzen hinweg sind für viele Bürgerinnen und Bürger noch immer zu kompliziert. Niemand sollte sein Recht auf Entschädigung verlieren, nur weil er bei mehreren Anbietern bucht.“
Experten wie der Bahnanalyst Jon Worth begrüßen zwar den Schritt der Deutschen Bahn, fordern aber verbindliche Regeln für alle Anbieter: „Der OSDM-Standard allein reicht nicht. Wir brauchen gesetzlich verpflichtende Datenfreigabe, faire Weiterverkaufsbedingungen und garantierte Fahrgastrechte für kombinierte Tickets.“
Verbindungen wachsen – aber Herausforderungen bleiben
Zunächst wird die Deutsche Bahn ihre Systeme mit den österreichischen ÖBB und den Schweizer SBB verknüpfen, weitere Partner sollen folgen. Zwar sind internationale Tickets heute schon teils über die Bahn buchbar – doch für viele Routen wie Berlin–Barcelona müssen Fahrgäste nach wie vor aufwändig Einzeltickets verschiedener Anbieter kombinieren.
Auch in Brüssel wächst der Druck. EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas plant, einheitliche Buchungsplattformen gesetzlich vorzuschreiben. DB-Vorstand Peterson warnte jedoch vor Parallelentwicklungen zum OSDM-Standard: „Ein zweites System würde Jahre an Investitionen gefährden. Das kostet Geld und Zeit.“
Trotz offener Baustellen ist die Bahn zuversichtlich. Erst kürzlich startete ein direkter ICE von Berlin nach Paris, 2024 stiegen die internationalen Ticketverkäufe der DB um 22 Prozent – ein Rekordwert nach der Pandemie.
Mit wachsendem Umweltbewusstsein und technischer Vernetzung steht Europa möglicherweise vor dem nächsten großen Schritt: einem digitalen, durchgängigen Bahnnetz, das endlich so reibungslos funktioniert, wie es Reisende erwarten.