Mehrheit erst im zweiten Anlauf
Der Bundestag hat Friedrich Merz im zweiten Wahlgang mit 325 Stimmen zum zehnten Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt – nur knapp über der benötigten absoluten Mehrheit von 316 Stimmen.
Zuvor war Merz im ersten Wahlgang an 18 Abweichlern aus der eigenen Koalition gescheitert, ein politischer Rückschlag, der breite Zweifel an der Stabilität des neuen schwarz-roten Bündnisses aufkommen ließ.
Zerbrechliche Koalition aus CDU/CSU und SPD
Die neue Koalition aus Merz’ CDU/CSU und der geschwächten SPD, die bei der Februarwahl nur 16 % erreichte, verfügt nur über eine knappe Mehrheit. Merz’ Union kam lediglich auf 28,6 % – ein enttäuschendes Ergebnis.
Die rechtspopulistische AfD bildet nun die stärkste Oppositionsfraktion. Ein Scheitern Merz’ hätte Neuwahlen ausgelöst – mit hohen Chancen für die AfD, weiter zuzulegen oder gar zu gewinnen.
Kabinett steht – erste Auslandsreisen geplant
Nach seiner Vereidigung stellte Merz dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier das neue Kabinett vor. Am Mittwoch reist er nach Paris und Warschau, am Freitag folgt ein Besuch bei EU- und NATO-Spitzen in Brüssel.
Ukraine, Nato, Wirtschaft: volle Agenda
Merz steht vor enormen Herausforderungen: Wirtschaftsflaute, AfD-Aufstieg, und Unsicherheit über die transatlantischen Beziehungen bei einer möglichen Rückkehr Trumps.
Im März hatte Merz eine umstrittene Reform der Schuldenbremse durchgesetzt, um massive Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung zu ermöglichen – zum Ärger konservativer Haushaltswächter in der eigenen Partei.
Unterstützung in der Bevölkerung gering
Laut einer ZDF-Umfrage halten 56 % Merz für ungeeignet als Kanzler, nur 38 % unterstützen ihn. Auch bei SPD-Anhängern stößt er auf Ablehnung.
Die AfD nutzte die Niederlage im ersten Wahlgang genüsslich aus – Co-Chefin Alice Weidel sprach auf X von einer „Koalition auf tönernen Füßen“.
Merkels Schatten, AfDs Druck
Merz hatte jahrzehntelang vergeblich das Kanzleramt angestrebt und galt als Gegenspieler von Angela Merkel, die das Geschehen von der Besuchertribüne aus verfolgte.
Unter Merz ist die CDU weiter nach rechts gerückt, besonders in der Migrationspolitik – wohl auch als Reaktion auf den AfD-Erfolg.
Doch die rechtsextreme Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz und die Debatte über ein mögliches Verbot zeigen: Die politischen Fronten sind verhärtet.
Merz’ knapper Sieg könnte nun ein schwächeres Mandat bedeuten – in einer Phase, in der Deutschland Stabilität dringend braucht.
Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder sieht darin ein Zeichen für „ein neues deutsches Normal“.