Raumfahrttechnik verspricht höchste Sicherheit und unendliche Sonnenenergie
Innovative Unternehmen wollen Datenzentren im Erdorbit und auf dem Mond errichten. Befürworter versprechen maximale Datensicherheit, während Kritiker erhebliche technische und finanzielle Hürden betonen.
Stephen Eisele, Präsident von Lonestar Data Holdings, ist überzeugt, dass sein Unternehmen ein Datenzentrum auf dem Mond betreiben wird. „Ein Datenzentrum im All bietet unvergleichliche Sicherheit“, erklärt er überzeugt.
Kürzlich testete das in Florida ansässige Unternehmen ein winziges Datenzentrum – kaum größer als ein gebundenes Buch – auf der Athena Lunar Lander. Diese Mission, durchgeführt mit Intuitive Machines und gestartet von Elon Musks SpaceX, markiert einen bedeutenden technologischen Schritt.
Datenzentren sind riesige Anlagen mit zahlreichen Computern, die für Unternehmen, Regierungen und Onlinedienste wichtige Informationen speichern und verarbeiten. Lonestar möchte diese Infrastruktur zum Mond bringen und dabei auf unbegrenzte Sonnenenergie setzen.
Wachsende Nachfrage auf der Erde bringt neue Ideen ins All
Der massive Einsatz künstlicher Intelligenz hat die globale Datenverarbeitung explodieren lassen. McKinsey erwartet einen jährlichen Anstieg der Nachfrage nach Datenzentren um 19 % bis 22 % bis 2030.
Auf der Erde mangelt es jedoch an Platz und Ressourcen. Datenzentren verbrauchen enorme Mengen Strom und Wasser zur Kühlung. Außerdem beanspruchen sie viel Fläche, was zunehmend auf Widerstand in der Bevölkerung stößt.
Im All oder auf dem Mond errichtete Anlagen umgehen diese Probleme. Dort steht unerschöpfliche Sonnenenergie zur Verfügung – und es gibt keine Nachbarn, die sich beschweren könnten. Fachleute sehen darin auch Vorteile für die Kommunikation zwischen Satelliten, da der Datenaustausch schneller als von der Erde aus erfolgt.
Ein von der EU-Kommission gefördertes Projekt prüfte kürzlich die Machbarkeit solcher Zentren. Das Ascend-Projekt, geleitet vom Raumfahrtunternehmen Thales Alenia Space – einem Joint Venture aus Frankreich und Italien – stellte seine Ergebnisse vor. Die Studie kommt zum Schluss, dass orbitale Datenzentren Europas digitale Infrastruktur stärken und gleichzeitig umweltfreundlicher sein könnten.
Geplant ist ein Netzwerk aus 13 Satelliten mit einer Gesamtgröße von 200 x 80 Metern. Diese sollen eine Rechenleistung von 10 Megawatt (MW) liefern – vergleichbar mit einem mittelgroßen Rechenzentrum mit rund 5.000 Servern. Die Montage der Satelliten soll direkt im All erfolgen.
Hürden beim Start: Kosten, Klima und Technik als zentrale Herausforderungen
Damien Dumestier, Chefarchitekt des Ascend-Projekts, betont, dass Raketen zehnmal weniger Emissionen verursachen müssen, um umweltfreundlich zu sein. Er sieht dieses Ziel als realistisch an.
„Um neue Technologien weiterzuentwickeln und in Serie zu fertigen, brauchen wir eine Systemleistung von etwa 200 MW“, sagt er. „Das entspricht 200 Raumstationen und 200 Starts.“
„Die entscheidende Frage ist, wann passende Trägerraketen einsatzbereit sind. Abhängig von Investitionen könnten sie zwischen 2030 und 2035 starten. Der kommerzielle Betrieb wäre dann vor 2037 möglich.“
Trotz aller Euphorie warnen Experten vor erheblichen Schwierigkeiten. Dr. Domenico Vicinanza, Professor für intelligente Systeme an der Anglia Ruskin University, erklärt, dass Weltraumstarts nach wie vor extrem teuer sind. Jeder Kilogramm Fracht kostet mehrere Tausend Dollar.
Datenzentren im All benötigen Schutzvorrichtungen, Energieversorgung und Kühlsysteme – all das erhöht Gewicht und Komplexität.
Besonders das Kühlen wird zum Problem: Trotz der Kälte im All funktionieren herkömmliche Kühlsysteme ohne Schwerkraft nicht gut. Zusätzlich bedrohen Weltraumwetter und Weltraumschrott die empfindliche Technik.
„Reparaturen im Orbit sind schwierig“, betont Dr. Vicinanza. „Roboter helfen, doch viele Defekte lassen sich nur schwer aus der Ferne beheben. Größere Ausfälle könnten bemannte Missionen erfordern – mit Ausfallzeiten von Wochen oder Monaten.“
Vom Science-Fiction-Traum zur Realität: Unternehmen rüsten sich für den Start
Dennoch zeigen sich Firmen wie Lonestar zuversichtlich. „Wir tun das, weil unsere Kunden es verlangen“, sagt Mr. Scott.
Lonestar plant, bis 2027 ein kleines Datenzentrum in den Mondorbit zu bringen. Andere Unternehmen sind schneller: Die Firma Starcloud aus dem US-Bundesstaat Washington will nächsten Monat ein satellitengestütztes Zentrum starten und Mitte 2026 in den Betrieb gehen.
Stephen Eisele betont, dass Weltraumlösungen mehr Sicherheit bieten, da sie nicht auf gefährdete terrestrische Netzwerke angewiesen sind. „Man kann es sich wie einen Banktresor vorstellen“, erklärt er. „Er wird nicht täglich geöffnet, aber bietet höchste Sicherheit. Die Mondentfernung erschwert jeden Zugriff oder Hackerangriff.“
Daten benötigen etwa 1,5 Sekunden, um vom Mond zur Erde zu gelangen. Für langfristige Speicherung oder Backups ist diese Verzögerung unproblematisch.
Chris Stott, Gründer und CEO von Lonestar, erklärt, dass orbitale Datenzentren auch gesetzliche Anforderungen zur Datensouveränität erfüllen. „Nach dem Weltraumrecht unterliegt jede Elektronikeinheit der Gesetzgebung des Lizenz- oder Startstaates. Es ist wie eine Botschaft im All“, sagt er.
Lonestar zählt bereits erste Kunden, darunter die Regierung von Florida und das Gouvernement der Isle of Man. Der Countdown für die nächste Generation der Datenverarbeitung hat begonnen.