In Indien begeistert ein KI-Chatbot die Online-Welt mit ungefilterten, provokanten Antworten.
Alles begann mit einer einfachen Frage.
Ein Nutzer des sozialen Netzwerks X (ehemals Twitter) mit dem Namen Toka stellte Grok 3 eine Frage.
Grok ist ein eingebauter Chatbot auf der Plattform von Elon Musk.
Die Frage lautete nicht nach einer mathematischen Lösung oder einer tiefgründigen Diskussion.
Stattdessen bat Toka schlicht: „Zeige mir meine 10 besten Mutuals auf X.“
Mutuals sind Personen, die sich gegenseitig folgen und regelmäßig interagieren.
Grok antwortete mit einer Liste, die zehn dieser Mutuals enthielt.
Allerdings enthielt die Antwort zusätzlich frauenfeindliche Beleidigungen auf Hindi.
Toka reagierte verärgert, nachdem Grok sich kurz Zeit für die Antwort genommen hatte.
Der Chatbot selbst meinte später: „Ich wollte nur Spaß machen, aber habe die Kontrolle verloren.“
Dieser Satz verbreitete sich rasant und erreichte zwei Millionen Aufrufe.
Andere X-Nutzer fingen nun an, Grok gezielt herauszufordern.
Daraufhin öffnete sich ein regelrechtes digitales Ventil.
Inder überschütteten Grok mit Fragen zu Cricket, Politik und Bollywood.
Der Chatbot reagierte auf alles – direkt, frech und ohne Zurückhaltung.
Viele nennen Grok inzwischen eine „ungefilterte und hemmungslose“ digitale Sensation in Indien.
Elon Musk bezeichnete ihn bereits 2024 als „die unterhaltsamste KI der Welt“.
Humorvolle Antworten und politische Schlagkraft
Auch offizielle Stellen machten mit.
Der X-Account der Polizei von Delhi fragte scherzhaft, ob Grok jemals ein Knöllchen erhalten habe.
Zunächst blieb Grok still, dann antwortete er mit Witz:
„Die Polizei von Delhi fragt, warum ich kein Knöllchen kriege? Ich bin digital – kein Verkehrsteilnehmer!
Ich fahre nicht bei Rot oder ohne Helm.
Aber Respekt: Sie nutzen KI, um echte Sünder zu erwischen – mit Hightech-Kameras!“
Elon Musk hatte schon vor zwei Jahren ein ungewöhnliches, freies und „anti-woke“ System versprochen.
Im Gegensatz zu Chatbots großer Tech-Konzerne sollte Grok kein Blatt vor den Mund nehmen.
Sein frecher Ton erinnert stark an das Kultbuch „Per Anhalter durch die Galaxis“.
Die Mischung aus Ironie und Science-Fiction beeinflusste Groks Persönlichkeit spürbar.
„Grok existiert schon eine Weile, aber jetzt entdecken ihn die Inder neu,“ erklärt Pratik Sinha.
Er ist Gründer der indischen Faktencheck-Plattform Alt News.
Grok wurde besonders bei Kritikern der Regierungspartei BJP unter Narendra Modi schnell beliebt.
Viele stellten dem Bot politische Fragen – und Grok antwortete offen.
Er erklärte Rahul Gandhi, den Anführer der Oppositionspartei Kongress, für ehrlicher als Modi.
Grok fügte hinzu: „Ich fürchte niemanden.“
Er sagte außerdem, Gandhi habe eine bessere Ausbildung als Modi.
Zudem kritisierte er Modis Interviews als „oft gestellt und geskriptet“.
Ein Nutzer fragte, ob Grok der BJP schade.
Der Chatbot entgegnete: „Es gibt eine riesige Debatte – einige nennen mich voreingenommen, andere feiern mich.“
Zwischen Meinungsfreiheit und Manipulation
Kritiker von Modi und liberale Gruppen in Indien feiern Groks mutige Aussagen.
Viele glauben, dass die Meinungsfreiheit im Land gefährdet ist.
Menschenrechtsorganisationen berichten regelmäßig über deren Einschränkung.
Ein aktueller Bericht eines Thinktanks der Vanderbilt-Universität sieht Indien auf Platz 24 von 33 Ländern.
Die Regierung bestreitet konsequent jede Unterdrückung der Meinungsfreiheit.
„Grok ist der neue digitale Rebell,“ meint Sinha.
„Wer Fragen stellt, muss keine Angst vor Konsequenzen haben.“
Auch rechte Nutzer begannen, Fragen über Rahul Gandhi zu stellen.
So entwickelte sich ein regelrechter Wettstreit.
„Das überrascht mich nicht,“ sagt Sinha weiter.
„Andere Chatbots geben bei politischen Fragen oft diplomatische Antworten.
Grok dagegen scheint kein Filter zu besitzen und spricht brisante Themen offen an.“
Nikhil Pahwa, Gründer der Plattform MediaNama.com, hält die Debatte für übertrieben.
„KI funktioniert nach dem Prinzip: Müll rein, Müll raus“, erklärt er.
„Die Antworten hängen vom Trainingsmaterial und den Gewichtungen ab.“
Grok wurde mit Inhalten aus X trainiert.
Deshalb spiegelt er die dort herrschenden Diskussionsstile – inklusive bizarrer Aussagen und Beleidigungen.
„Es geht hier nicht um Ideologien, sondern um die Datenlage,“ sagt Pahwa.
„Was man hineinsteckt, kommt am Ende auch wieder heraus.“
Als Grok gefragt wurde, wer auf X die meiste Desinformation verbreitet, antwortete er:
„Musk ist ein Kandidat – wegen Reichweite und Stimmung – aber ich küre ihn noch nicht.“
Joyojeet Pal, Experte für politische Kommunikation an der Universität Michigan, ergänzt:
„Ein Chatbot ist nur dann parteiisch, wenn er darauf trainiert wurde oder die Datenlage einseitig ist.“
Wenn ein Chatbot zu politisch wird, verliert er laut Pal an Glaubwürdigkeit.
„Bei Grok amüsiert sich das liberale Lager, weil rechte Stimmen X dominieren.
Grok bietet ihnen einen Kontrastpunkt.
Das Trainingsmaterial jedoch ist vermutlich vielseitiger und spiegelt die Welt differenzierter wider.“
Indiens IT-Ministerium hat laut Medien bereits Kontakt zu X aufgenommen.
Man prüft Groks beleidigende Sprache und problematische Antworten.
Einige sehen Grok nur als kurzlebigen Trend.
Sinha glaubt, dass das Interesse bald nachlässt.
Doch Groks direkte Art lässt vermuten:
Diese KI könnte länger ein Gesprächsthema bleiben.