Bundestag stimmt für massive Investitionen
Die deutschen Abgeordneten haben für eine erhebliche Erhöhung der Verteidigungs- und Infrastrukturinvestitionen gestimmt – ein bedeutender Wandel für das Land, der die europäische Sicherheitsarchitektur neu gestalten könnte.
Eine erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag hat die Entscheidung am Dienstag genehmigt.
Das neue Gesetz ermöglicht es, Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit von den strengen Schuldenregeln Deutschlands auszunehmen. Zudem wird ein Infrastrukturfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro (547 Milliarden Dollar; 420 Milliarden Pfund) geschaffen.
Historische Wende in unsicheren Zeiten
Diese Entscheidung stellt einen Wendepunkt für das traditionell schuldenkritische Deutschland dar und könnte für Europa weitreichende Folgen haben. Während der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine andauert und die Unterstützung der USA für die europäische Verteidigung unsicher erscheint, setzt Deutschland ein klares Zeichen.
Allerdings muss auch der Bundesrat, die Länderkammer, mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen, bevor das Gesetz in Kraft tritt. Diese Abstimmung ist für Freitag angesetzt.
Friedrich Merz, der Architekt dieses Plans und voraussichtlich bald Deutschlands neuer Bundeskanzler, erklärte während der Debatte im Bundestag, dass sich das Land in den vergangenen zehn Jahren in “trügerischer Sicherheit” gewiegt habe.
„Die heutige Entscheidung kann nur als erster großer Schritt hin zu einer neuen europäischen Verteidigungsgemeinschaft verstanden werden“, betonte er und verwies darauf, dass auch Länder außerhalb der EU einbezogen werden könnten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lobte das Abstimmungsergebnis als “ausgezeichnete Nachricht”.
Bei einer Pressekonferenz mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen erklärte sie, dass das Votum “eine sehr klare Botschaft an Europa” sende, dass Deutschland bereit sei, massiv in seine Verteidigung zu investieren.
Frederiksen bezeichnete die Entscheidung als “fantastische Nachricht für alle Europäer”.
Neue Investitionen in Infrastruktur und Sicherheit
Deutschland war lange zurückhaltend bei Verteidigungsausgaben – nicht nur wegen seiner Geschichte seit 1945, sondern auch aufgrund der weltweiten Finanzkrise von 2009.
Trotz der Befürchtung, dass das Votum knapp ausfallen könnte, stimmten letztlich 513 Abgeordnete dafür und 207 dagegen – eine deutliche Mehrheit.
Eine große deutsche Tageszeitung bezeichnete den Tag als “Schicksalstag für unsere Nation”.
Die Neuregelung sieht vor, dass Verteidigungsausgaben, die über 1 % des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen, nicht mehr unter die Schuldenbremse fallen. Bisher war diese Grenze bei 0,35 % des BIP festgelegt.
Diese Entscheidung könnte die teils vernachlässigten Streitkräfte des Landes in einer Zeit großer Unsicherheit für Europa entscheidend stärken.
Das Votum betrifft jedoch nicht nur die Verteidigung. Es eröffnet auch neue Spielräume für Investitionen in die deutsche Infrastruktur – etwa zur Sanierung von Brücken und Straßen, aber auch für Maßnahmen gegen den Klimawandel, was insbesondere die Grünen gefordert hatten.
Merz, dessen CDU-Partei im vergangenen Monat die Bundestagswahl gewonnen hat, brachte die Maßnahmen unmittelbar nach dem Wahlsieg auf den Weg.
In einem Interview am Sonntag äußerte er besondere Besorgnis darüber, dass die USA sich aus der Verteidigung Europas zurückziehen könnten, und verwies auf die Gespräche von Donald Trump mit Russlands Präsident Wladimir Putin.
„Die Lage hat sich in den letzten Wochen verschärft“, erklärte Merz gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender ARD.
„Deshalb müssen wir schnell handeln.“
Diese Entscheidung ist ein bedeutender politischer Erfolg für Merz, der als Kanzler nun über Hunderte Milliarden Euro verfügen wird, um in den Staat zu investieren – was in Deutschland bereits als „fiskalische Bazooka“ bezeichnet wird.
Sie ist auch für die Ukraine von großer Bedeutung. Die verabschiedeten Verteidigungspläne ermöglichen es, Hilfen für Staaten, die „völkerrechtswidrig angegriffen“ wurden, von der Schuldenbremse auszunehmen.
Damit kann der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz bereits nächste Woche drei Milliarden Euro an Unterstützung für die Ukraine freigeben.
Merz entschied sich dafür, die Abstimmung noch im alten Parlament durchzuführen, da die Mehrheitsverhältnisse günstiger waren als nach dem 25. März, wenn die neue Legislaturperiode beginnt.
Die rechtsextreme AfD und die linksgerichtete Linke, die beide bei der Wahl im Februar gut abschnitten, lehnen Merz’ Pläne ab.
Noch hat Merz keine Koalitionsvereinbarung zur Regierungsbildung getroffen, plant jedoch, bis Ostern eine neue Regierung zu präsentieren.
Koalitionsverhandlungen in Deutschland können sich allerdings über Monate hinziehen.
