Neue Forschung deckt Gesundheitsrisiken für Erwachsene mit ADHS auf
Eine bahnbrechende Studie hat ergeben, dass Erwachsene mit einer Diagnose von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eine deutlich geringere Lebenserwartung haben könnten als Menschen ohne diese Erkrankung. Experten bezeichneten die Ergebnisse als „tief besorgniserregend“ und „bemerkenswert“ und fordern weitere Forschung sowie eine bessere Unterstützung für Betroffene.
Die im British Journal of Psychiatry veröffentlichte Studie untersuchte anonymisierte Gesundheitsdaten von mehr als 30.000 Erwachsenen mit ADHS und über 300.000 Erwachsenen ohne diese Diagnose in Großbritannien. Die Daten aus den Jahren 2000 bis 2019 zeigen, dass Männer mit ADHS eine um 4,5 bis 9 Jahre kürzere Lebenserwartung haben, während Frauen mit ADHS 6,6 bis 11 Jahre weniger erwarten können.
ADHS wird oft im Kindesalter diagnostiziert und ist durch Impulsivität, Rastlosigkeit und Konzentrationsprobleme gekennzeichnet. Viele Menschen behalten die Symptome jedoch auch im Erwachsenenalter, wo die Erkrankung häufig nicht erkannt und behandelt wird.
Fehlende Unterstützung und Gesundheitsprobleme
Professor Josh Stott von der University College London, der Hauptautor der Studie, nannte die Ergebnisse „zutiefst besorgniserregend“. Er hob hervor, dass viele Erwachsene mit ADHS unter mangelnder Unterstützung leiden, was oft zu sozialer Ausgrenzung, erhöhtem Stress und schlechten Gesundheitsresultaten führt.
„Menschen mit ADHS haben viele Stärken und können mit der richtigen Unterstützung erfolgreich sein. Doch zu oft fehlt ihnen diese Unterstützung, was schwerwiegende Auswirkungen auf ihre körperliche und psychische Gesundheit hat“, erklärte Stott.
Die Forscher führten die verkürzte Lebenserwartung vor allem auf „behebbare Risikofaktoren“ und unbehandelte Gesundheitsprobleme zurück. Eine bessere Versorgung und gezielte Interventionen könnten demnach die Lebenserwartung und die Lebensqualität von Menschen mit ADHS erheblich verbessern.
Experten fordern weitere Forschung und bessere Versorgung
Unabhängige Experten lobten die Bedeutung der Studie, betonten jedoch, dass viele Fragen offen bleiben. Professor Kevin McConway, Experte für angewandte Statistik an der Open University, bezeichnete die Ergebnisse als „bemerkenswert“, wies aber darauf hin, dass die Forschung Beobachtungscharakter habe und daher keine direkten Ursachen ableiten könne.
„Die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Menschen mit und ohne ADHS sind beträchtlich. Doch es bleibt unklar, welche komplexen Faktoren diese Ergebnisse beeinflussen“, erklärte McConway.
Auch Professor Philip Asherson, Molekularpsychiater am King’s College London, hob hervor, dass ADHS mit höheren Raten an Rauchen, Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs einhergeht. Diese Faktoren könnten entscheidend zur verkürzten Lebenserwartung beitragen. Er betonte die Notwendigkeit einer verbesserten Diagnose und Behandlung.
„ADHS wird zunehmend als ernste Erkrankung bei Erwachsenen anerkannt, doch viele Betroffene haben keinen Zugang zu ausreichender Versorgung“, sagte Asherson.
Unterdiagnose verschärft die Problematik
Die Studie offenbarte auch eine alarmierende Unterdiagnose bei Erwachsenen. Während der Studienzeit wurde nur einer von 300 Erwachsenen in Großbritannien mit ADHS diagnostiziert, obwohl Umfragen darauf hindeuten, dass tatsächlich einer von 30 betroffen ist. Dies bedeutet, dass bis zu 90 % der Erwachsenen mit ADHS nicht diagnostiziert werden und somit auch keine Behandlung erhalten.
Die Forscher warnten, dass die verkürzte Lebenserwartung bei Erwachsenen mit ADHS weiterhin bestehen wird, solange dieses Problem nicht angegangen wird. Sie forderten dringend mehr Bewusstsein, verbesserte Diagnoseinstrumente und einen besseren Zugang zu effektiven Behandlungsoptionen.
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Notwendigkeit, ADHS bei Erwachsenen stärker in den Fokus des Gesundheitssystems zu rücken und die gesundheitlichen Ungleichheiten, die diese Erkrankung mit sich bringt, zu bekämpfen.