Die Erdgaspreise in Europa sind im November stark gestiegen. Der niederländische Title Transfer Facility (TTF)-Benchmark verzeichnete einen Anstieg von 16 % und erreichte 46 Euro pro Megawattstunde (MWh) – den höchsten Stand seit über einem Jahr. Dieser Preisanstieg verdeutlicht die anhaltenden Herausforderungen auf dem Energiemarkt, da Europa sich auf einen strengen Winter vorbereitet.
Ungewöhnlich kalte Temperaturen in Europa und Teilen Nordamerikas haben die Heiznachfrage früher als erwartet in die Höhe getrieben. Frostige Bedingungen in Nordwesteuropa und im Nordosten der USA haben den Energiebedarf massiv erhöht und die Gasspeicher stärker beansprucht. Gleichzeitig hat eine geringere Stromerzeugung aus Windkraft dazu geführt, dass Versorger verstärkt auf gasbetriebene Kraftwerke angewiesen sind. Infolgedessen sind die Gasspeicher in Europa erstmals in diesem Jahr unter den Fünfjahresdurchschnitt gefallen.
Geopolitische Faktoren verschärfen die Situation zusätzlich. Gazprom hat kürzlich die Gaslieferungen nach Österreich eingestellt, was Ängste vor weiteren Störungen geweckt hat. Zudem droht der Ablauf eines wichtigen Transitabkommens zwischen Russland und der Ukraine zum Jahresende, wodurch eine entscheidende Pipeline gefährdet wäre, die etwa 5 % des europäischen Gasbedarfs deckt. Sollte das Abkommen nicht verlängert werden, könnten Länder in Mittel- und Osteuropa mitten im Winter mit schweren Engpässen konfrontiert werden.
Analysten warnen, dass die Kombination aus erhöhter Nachfrage und knapperem Angebot die Preise weiter ansteigen lassen könnte. Goldman Sachs hat seine Preisprognose für den TTF im Jahr 2025 kürzlich auf 40 Euro/MWh angehoben. Gleichzeitig betont die Bank, dass extreme Szenarien – wie Verzögerungen bei LNG-Projekten, eine stärkere Nachfrage aus Asien oder kälteres Wetter als erwartet – die Preise auf bis zu 77 Euro/MWh treiben könnten. Ein solches Niveau könnte viele Sektoren dazu zwingen, von Gas auf ölbetriebene Alternativen umzusteigen.
Die wirtschaftlichen Folgen der steigenden Gaspreise sind erheblich. Haushalte und Unternehmen in Europa werden voraussichtlich mit höheren Energiekosten konfrontiert, was die wirtschaftliche Erholung der Region bremsen und den Inflationsdruck verstärken könnte. Energieintensive Branchen wie die Chemie- oder Fertigungsindustrie könnten Schwierigkeiten haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt zu halten, da die Betriebskosten steigen. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Politik, Maßnahmen zu ergreifen, sei es durch Energiesubventionen oder die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien, um die Abhängigkeit von volatilen fossilen Brennstoffen zu verringern.
Auch wenn die aktuellen Gaspreise weit unter den historischen Höchstständen des Sommers 2022 liegen – als der TTF auf fast 350 Euro/MWh kletterte – verdeutlicht der jüngste Anstieg Europas anhaltende Anfälligkeit gegenüber extremen Wetterbedingungen und geopolitischen Unsicherheiten. Mit Beginn des Winters steht die Region vor großen Herausforderungen, das kurzfristige Angebot zu sichern und gleichzeitig langfristige Strategien für Energiesicherheit umzusetzen.